Fahrwerkslehre

ChristianB-74
Ich habe da mal was aus zwei Zeitschriften abgeschrieben. Leider fehlen mir die weiteren Artikel, im gesamten waren es vier.

Fahrwerkslehre nach Wolfgang Weber

Federn

Federn haben die Aufgabe, das Auto auf einem bestimmten Niveau zu halten. Im Normalfall soll es genau so hoch liegen, dass stets genügend Ein- und Ausfederweg vorhanden ist. Ferner müssen die Federn Stöße, die von der Fahrbahn am die Karosserie übertragen werden, abmildern und fahrerische Einflüsse wie Bremsen, Beschleunigen oder Lenken parieren können, ohne durchzuschlagen.
Physikalisch gesehen speichert eine Feder Energie. Diese Energie will Sie aber wieder loswerden. Demnach wird sie sich bei nächster Gelegenheit wieder entspannen wollen. Je nach Federrate erfolgt die Rückkehr in der Urzustand eher moderat oder mit Vehemenz. Die Entspannung zu kontrollieren, ist Aufgabe der Stossdämpfer und wird im nächsten Kapitel behandelt
Der Begriff Federweg beschreibt den maximal möglichen Weg vom vollständigen Aus- bis zum Einfedern. Es gibt einen positiven Federweg, dieser bezeichnet das Einfedern und einen negativen, der für das Ausfedern steht.
Federn werden gemäß ihrer Länge, ihrem Durchmesser und ihrem Härtegrad unterschieden. Letzterer wird in kg/cm oder N/mm angegeben. Der für Serienfahrwerke übliche Wert liegt bei rund 50 bis 60 kg/cm. Das heißt, dass man 50Kilogramm Gewicht benötigt, um die Feder einen Zentimeter zusammenzudrücken. Im Rennsport sind bis zu 300 kg/cm möglich.
Tuningfedern sind in der Regel kürzer, um eine Tieferlegung des Aufbaus zu erreichen, in der Folge aber auch härter, da der positive Restfederweg kürzer ausfällt, um dem Aufbau bei stärkeren Stößen noch abfangen zu können. Progressiv gewickelte Federn werden beim Einfedern zunehmend härter, der kg/cm-Faktor der Feder steigt an. Dies geschieht, weil sich beim Einfedern immer mehr Windungen berühren und gleichsam auf Block gehen. Dadurch sind weniger Windungen aktiv. In der Folge verhärtet die Feder.
Ist die Tieferlegung so stark respektive die Feder so kurz, dass sie sich beim kompletten Ausfedern, zum Beispiel beim Überfahren von Kuppen oder Sprunghügeln vollständig entspannt, muss eine vorgeschaltete Helferfeder die Hauptfeder in der Aufnahme halten. Manche Tuner benutzen Helferfedern, die so hart sind, dass sie am aktiven Federverhalten sogar beteiligt sind, weil sie nicht sofort platt gedrückt werden, sobald das Fahrzeug am Boden steht, sondern eine gewisse Eigenspannung besitzen.

Werden mehrere Federn in einem Paket kombiniert, sollte zuvor darüber nachgedacht werden, was hier physikalisch überhaupt passiert. Schließlich gibt es - insbesondere im Rennsport - Fahrwerkskonstellationen, bei denen pro Federbein bis zu drei Federn miteinander interagieren. Im Fall eines Porsche GT 3 waren dies eine Hauptfeder mit 300kg/cm, eine Vorfeder mit 60kg/cm, eine Helferfeder mit 10 kg/cm Federrate.
Ein solches Paket hat ein sehr, komplexes Federverhalten zur Folge. Die Helferfeder dient lediglich dazu, das Paket in der Aufnahme zu halten, falls es zu einer totalen Entlastung des Fahrzeuges kommen sollte. Die 60er-Vorfeder ist im statischen Zustand noch nicht auf Block, da geschätzte 240 Kilogramm Radlast geteilt durch 60 kg/cm lediglich vier Zentimetern Einfederweg entsprechen. So viel Federweg hat auch ein GT3 im Renntrim locker übrig. Es wirken demnach immer noch zwei der drei vorhandenen Federn.
Welche Federrate hat nun aber ein solches Paket zweier aufeinander gestellter Federn? Laut Formelsammlung ergibt sich die kombinierte Federrate Dges aus dem Quotienten des Produktes der Einzelfederraten und der Summe derselben (Dges=(D1xDZ)/(D1 +D2)). In unserem Fall würde das Federpaket also mit 50 kg/cm arbeiten. In ihrer Kombination agieren die Federn somit weicher, als aufgrund der individuellen Federraten zu vermuten gewesen wäre. Anders als gedacht, nicht wahr?
Hinzu kommt, dass wir es in diesem Fall mit einer progressiven Federkennlinie zu tun haben: Bei einer ausgeprägten Senke geht die 60er-Feder auf Block, wodurch die Federrate abrupt auf 300 kg/cm ansteigt. Ist der Dämpfer nun aber auf die errechnete Gesamtfederrate von 50 kg/cm eingestellt, wäre er mit 300 kg/cm garantiert hoffnungslos überfordert. Demnach müssen in diesem Fall auch die Dämpfer mit entsprechend progressiven Kennlinien aufwarten.
Das Ausfedern erfolgt mit ebenso unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Am Anfang sehr schnell, da die 300er Feder heftig drückt, schlussendlich jedoch nur noch mit der berechneten Gesamtfederrate, also mit 50 kg/cm. Demnach müsste der Dämpfer auch in der Zugstufe mit zwei verschiedenen Geschwindigkeiten reagieren können.

Dämpfer

Die prägnanteste, eindrucksvollste, aber auch durchaus gefährlichste Darstellung der Arbeitsweise eines Stoßdämpfers hat wohl nahezu jeder schon einmal beobachten können: Wenn bei einem Fahrzeug ein Rad so hüpft, dass es nur alle paar Meter kurz den Boden berührt.
Damit eben genau das nicht passiert und die Bodenhaftung unter allen möglichen oder eventuell auch unmöglichen Fahrzuständen erhalten bleibt, erledigen die Stoßdämpfer - im technischen Sinn besser Schwingungsdämpfer genannt - wichtige Dienste. Diese bremsen die durch Federn, Fahrstil und Fahrbahn entstehenden Schwingungen ab, indem im Kolbengehäuse Öl durch genau definierte Öffnungen oder Ventile gepresst wird.
Dies lässt sich sogar so steuern, dass man verschiedenen Kennlinien der Dämpferkraftverteilung über die Kolbengeschwindigkeit erhält: Progressiv verhält sich ein Dämpfer, wenn er mit zu nehmender Kolbengeschwindigkeit immer härter wird. Dies geschieht, wenn man das Öl zum Beispiel durch relativ kleine Bohrungen hindurchpresst.
Degressiv bedeutet hingegen eine Reduzierung der Dämpfkräfte je höher die Kolbengeschwindigkeiten werden. Hierbei wird das Öl durch relativ große Öffnungen gedrückt, die aber durch federbeaufschlagte Konstruktionen (Nadelventile oder Federscheiben) verschlossen oder geöffnet werden. Die lineare Kennlinie bildet den Mittelweg und steigt gleichmäßig in Relation zur Kolbengeschwindigkeit an.
In den Ventilen und der uhrmachergleichen Konstruktion im Innern des Dämpfers steckt das meiste Know-how und sozusagen die Programmierung des Systems. Die Kräfte, die ein Stoßdämpfer bei der Arbeit liefert, werden in Newton (N) in Bezug zur Kolbengeschwindigkeit (m/sec) gemessen. in Zahlen: Ein aufwän¬diges Sportfahrwerk für die Straße liefert zum Beispiel bei 0,5 m/sec Ausfederge¬schwindigkeit eine Zugkraft von zirka 3000 N (siehe auch das Diagramm "ZugversteIlung"). Man unterscheidet zwischen Zugstufendämpfung beim Ausfedern und der Druckstufendämpfung beim Einfedern eines Rades.

Die Druckstufe wird bei hochwertigen Fahrwerken auch noch in einen High- und Lowspeedbereich unterteilt. Der Übergang von Low- in Highspeed liegt bei einer Kolbengeschwindigkeit von zirka 0,1 bis 0,2 m/sec. Diese Art von Stoßdämpfern können verschiedene Situationen sozusagen "mechanisch" anhand der Kolbengeschwindigkeit unterscheiden. Eine Bodenwelle oder eine Querfuge drückt nämlich die Kolbenstange des Dämpfers wesentlich schneller in das Dämpfergehäuse, als dies bei einer Lenkbewegung oder einem Tritt aufs Bremspedal geschieht,
Bei fahrdynamischen Einflüssen muss erst einmal das ganze Auto samt seiner trägen Masse in Bewegung versetzt werden, bevor die Dämpfer überhaupt ihre Arbeit beginnen. Bei einer Bodenwelle werden jedoch primär die ungefederten Massen (Rad, Bremsanlage) bewegt. Das geht wesentlich schneller vonstatten. Eine Kombination aus verschiedenartigen Ventilen im Dämpfer reagiert auf die unterschiedlichen Kolbengeschwindigkeiten auch in unterschiedlicher Manier.
Das bedeutet in der Praxis am Beispiel des Nürburgrings, dass man bei Problemen beim Einlenken in langsame Streckenteile wie "Adenauer Forst" am Lowspeedrädchen drehen könnte, ohne sich Nachteile im Bereich "Tiergarten" mit all den kleinen Wellen und Schlägen einzuhandeln. Hier kümmert sich weiterhin die Highspeedeinstellung um den nötigen Fahrbahnkontakt.

Im professionellen Rennsport geht die Technik sogar noch einen Schritt weiter: Hier wird zusätzlich in der Zugstufe zwischen High- und Low-speed unterschieden. Denn auch beim Ausfedern können verschiedene Kolbengeschwindigkeiten auftreten, wenn die Strecke Kuppen und Sprünge aufweist.
Ein weiterer spezieller Anwendungsfall wurde bereits im ersten Kapitel behandelt: Beim dort beschriebenen Porsche GT3 besteht das komplette Fahrwerkspaket aus drei unterschiedlichen Federn. Durch die verschiedenen Verstellmöglichkeiten am Dämpfer lässt sich nun auch ein derart kompliziertes Federpaket wieder "zähmen" und so dämpfen, dass die einzelnen Komponenten optimal zusammenarbeiten können.

Im oben abgebildeten Kennliniendiagramm der Zugverstellung sind die verschiedenen Dämpfkraftkurven dargestellt, wie sie bei verschiedenen Einstellungen der "Klicks" auftreten. Gut zu sehen ist dabei auch der Übergangsbereich zwischen Low- und Highspeed.
Auch wenn es in Zukunft noch so viele Stellrädchen an den Stoßdämpfern geben sollte - das perfekte Setup, das immer und überall funktioniert, existiert nicht. Denn eine gute Abstimmung ist immer auch ein guter Kompromiss.

  OT-Alarm 
Wegen der besonderen Beobachtung hoffe ich dass mein Beitrag keine Probleme bereitet. Falls es nicht okay sein sollte, sofort löschen bitte.
WalterK-50
ja, der Wolfgang Weber versteht das Metier. Wer ein KW-Fahrwerk fährt, nutzt ebenfalls Wolfgangs Knowhow. Und wer sein Fahrwerk nicht richtig einstellen kann, lässt am besten Wolfgang wirken: nachher stimmt's perfekt.

Alles im Detail erklärt

Bitte Copyright beachten und einhalten.